Vorwort zu Kapitel VI des BIZ-Jahresberichts - Globalisierung im Fokus

18. Juni 2017
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In der öffentlichen Debatte finden Argumente, die die Vorteile der Globalisierung infrage stellen, zunehmend Beachtung. Das zeigt, dass wir Gefahr laufen, die Lehren der Vergangenheit zu vergessen und die in den vergangenen 50 Jahren erzielten Verbesserungen von Lebensstandard, Produktivität und Wohlstand als selbstverständlich zu betrachten.

Im diesjährigen BIZ-Jahresbericht plädieren wir dafür, die aktuell günstige Lage zu nutzen, um die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken und damit die Basis für ein nachhaltiges Wachstum zu schaffen. Die Vorteile der Globalisierung zu sichern, ist dabei ganz wesentlich.

Heute veröffentlichen wir ein gesondertes Kapitel, das sich mit wirtschaftlichen Aspekten der Globalisierung befasst. Wir zeigen auf, wie sich Handels- und Finanz­beziehungen im Gleichschritt entwickelt und intensiviert haben. Unser Fokus auf dieses Thema unterstreicht, wie wichtig es ist, diese Beziehungen aufrechtzu­erhalten und weiterzuentwickeln, und er ist Ausdruck der sich wandelnden Debatte zur Weltwirtschaft.

Die Globalisierung wird häufig für die zunehmende Ungleichheit in einigen Indus­trieländern verantwortlich gemacht. Empirische Analysen zeigen jedoch, dass andere Faktoren, insbesondere der technologische Fortschritt, eine größere Rolle spielen. Zwar tragen bestimmte Sektoren oder Regionen oft den Löwenanteil der Anpassungskosten. Doch gezielte Maßnahmen in den einzelnen Ländern können den Betroffenen helfen, die Probleme zu überwinden.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die finanzwirtschaftliche Offenheit einer Volkswirt­schaft diese dem Auf und Ab des globalen Finanzzyklus ausliefert und zu grenz­überschreitenden Spillover-Effekten führt. Wir müssen anerkennen, dass sich das globale Finanzsystem - ebenso wie inländische Finanzsysteme - prozyklisch verhält und zu finanziellen Exzessen neigt. Doch die finanzwirtschaftliche Offenheit rückgängig zu machen, ist nicht die richtige Antwort. Vielmehr gilt es, die erforder­lichen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, wie es die internationale Gemeinschaft als Reaktion auf die Liberalisierung des inländischen Finanzsektors getan hat. Auf diese Weise lassen sich die Vorteile der Globalisierung nutzen und ihre Probleme überwinden. Die Rolle internationaler Leitwährungen wie des US-Dollars und die Bedeutung weltweit tätiger Banken erfordern in diesem Kontext eine enge Zusam­menarbeit auf globaler Ebene.

Tatsächlich bedingt die realwirtschaftliche Globalisierung die finanzwirtschaftliche Globalisierung - die beiden sind untrennbar miteinander verknüpft: Ohne inter­nationale Finanzbeziehungen lassen sich die Vorteile von Handel und Investitionen nicht nutzen. Man kann drei Globalisierungsebenen unterscheiden. Dass real- und finanzwirtschaftliche Globalisierung Hand in Hand gehen, ist auf der ersten Ebene offensichtlich, wo grenzüberschreitende Zahlungen und Kredite den Handel mit Rohstoffen und Fertigerzeugnissen erst möglich machen. Das Gleiche gilt auf der zweiten Globalisierungsebene, wo die Handelsbeziehungen komplexer sind. Finanzwirtschaftliche Offenheit erlaubt hier die Finanzierung grenzüberschreitender Investitionen und kompletter globaler Wertschöpfungsketten, bei denen die Produk­tion auf mehrere Länder verteilt ist. Sie ermöglicht zudem die Absicherung der damit verbundenen finanziellen Risiken. Erst auf der dritten Globalisierungsebene dienen Finanzbeziehungen ausschließlich finanziellen Zwecken.

Die Analyse in diesem gesonderten Kapitel, das heute veröffentlicht wird, soll in Erinnerung rufen, wie sehr die Globalisierung das wirtschaftliche Wohlergehen der Menschen verbessert hat. Anstatt uns aus den bestehenden globalen Handels- und Finanzbeziehungen zurückzuziehen, sollten wir sie stärken. Anstatt sie zu lockern, sollten wir sie widerstandsfähiger machen. Wir müssen zusammenarbeiten, um auf nationaler und internationaler Ebene gut durchdachte Strategien zu entwickeln. Nur so können wir sicherstellen, dass die Globalisierung auch weiterhin für Wirtschafts­wachstum und einen höheren Lebensstandard sorgen wird - überall auf der Welt und für die kommenden Generationen.

Jaime Caruana

Generaldirektor

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